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Mittwoch, 23. März 2016

Vorsicht beim Offenlegen der gesamten Krankenakte

Author: Rechtsanwalt Dr. Frank Baumann, Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Versicherungsnehmer unterliegen der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Wird dagegen verstoßen ergeben sich für den Versicherer Rücktritts-, Anfechtungs-, Kündigungs- oder Vertragsanpassungsmöglichkeiten. Daher sind Gesundheitsfragen im Rahmen einer Antragsprüfung stets wahrheitsgemäß zu beantworten. Die gesamte Krankenakte dem Versicherer offenzulegen, sollte aber gut überlegt sein.

Gelegentlich kommt es vor, dass ein potenzieller Versicherungsnehmer mit dem Antrag auf Abschluss einer Versicherung (beispielsweise Krankheitskostenvollversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung etc.) seine Krankenakte beim Versicherer einreicht, obwohl dieser im Rahmen der Risikoprüfung nur nach Vorerkrankungen der letzten Jahre fragt. Es stellt sich die Frage, ob der Versicherer bei einer zeitlich begrenzten Rückfrage berechtigt ist, die ihm darüber hinaus vom Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellten Informationen im Rahmen der Antragsprüfung zu berücksichtigen.


Gesetzliche Grundlage


Wenn Versicherer in Antragsformularen nach Vorerkrankungen etc., beispielsweise während der letzten fünf Jahre, gerechnet ab Antragstellung, fragen, so trägt dies der gesetzlichen Regelung des § 21 Abs. 3 S. 1 VVG Rechnung, wonach die Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 bis 4 VVG nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss erlöschen, sofern nicht vor Ablauf dieser Frist Versicherungsfälle eingetreten sind. Für den Fall eines vorsätzlichen oder arglistigen Verhaltens wird diese Frist gemäß § 21 Abs. 3 S. 2 VVG auf zehn Jahre verlängert. Regelmäßig kommt es daher vor, dass ein Fünf-Jahres-Zeitraum und ein Zehn-Jahres-Zeitraum im Rahmen der Antragsfragen abgefragt werden. So werden zum Beispiel stationäre Aufenthalte und damit einhergehende Behandlungen häufig über einen Zehn-Jahres-Zeitraum abgefragt.


Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrags ist noch nicht schutzwürdig


Von der Frage, ob ein Versicherer im Rahmen einer Leistungsprüfung berechtigt ist, Vorerkrankungen zu berücksichtigen, die außerhalb des abgefragten Zeitraums liegen, ist aber die Beantwortung der Frage zu trennen, ob der Versicherer auch im Rahmen der Antragsprüfung bezüglich der abgefragten Zeiträume limitiert ist. Das ist nicht der Fall, da der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags grundsätzlich noch keine schutzwürdige Rechtsposition erlangt hat. Es steht ihm frei, die Fragen des Antragsformulars wahrheitsgemäß zu beantworten oder dem Versicherer darüber hinausgehende Umstände, nach denen der Versicherer nicht gefragt hat, mitzuteilen. Teilt er sie aber mit, dann kann der Versicherer auf Basis der ihm ungefragt mitgeteilten Informationen auch Konsequenzen für die Frage ziehen, ob der Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages angenommen werden soll oder nicht.


Versicherer darf alle Informationen berücksichtigen


So ist zum Beispiel durchaus denkbar, dass der Versicherungsnehmer wegen einer Erkrankung, die häufig zu einer Berufsunfähigkeit führt, während des abgefragten Fünf-Jahres-Zeitraums nicht behandelt worden ist, davor aber sehr engmaschig, und der Versicherer im Rahmen der Antragsprüfung deshalb von dem Abschluss eines Versicherungsvertrags absieht, weil ihm das Risiko, dass der Versicherungsnehmer wieder erkrankt, zu hoch erscheint. Die ihm ungefragt vom Versicherungsnehmer im Rahmen der Antragsprüfung mitgeteilten Umstände darf der Versicherer deshalb durchaus im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigen, ob er den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags annehmen will oder nicht.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2016, Seite 50.

Anmerkung:

Die Vorlage eines Auszugs der Patientenakte ist generell empfehlenswert, jedoch sollte dabei peinlichst genau darauf geachtet werden nicht mehr Informationen als gefordert zur Verfügung zu stellen.

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